Die Küche
 
Realistischer Küchenalltag auf der Bühne
Als der englische Autor Arnold Wesker 1961 in einem Bühnenstück die Arbeitswelt, in der unter Hochdruck gearbeitet werden muß, so realistisch wie nur möglich darstellen wollte, schien ihm dazu kein Ort besser geeignet als eine große Restaurantküche. Schließlich hatte er selbst eine Zeitlang als Patissier in einer solchen gearbeitet.
"Die Küche" heißt das Ergebnis dieser Überlegung. 1969 wurde es in Deutschland erstmals inszeniert; aber seit 15 Jahren auf keiner deutschen Bühne mehr gespielt. Daß der Stoff dieses Stückes auch nach 30 Jahren keineswegs an Aktualität verloren hat, stellte Jörg U. Lensing fest, als er auf Stoffsuche für eine neue Produktion des Düsseldorfer "Theater der Klänge" war. Das Ensemble des freien, über die Grenzen von Düsseldorf inzwischen bekannten Theaters (gegründet 1987) setzt sich mittlerweile aus 30 Musikern, Tänzern und Schauspielern zusammen. Für sie alle bot sich in "Die Küche" eine Rolle.
In den zweieinhalb Stunden, in denen der Ablauf eines ganzen langen Küchenarbeitstages komprimiert vollzogen wird, können die einzelnen Typen und Persönlichkeiten naturgemäß nur ansatzweise – aber eindrucksvoll - personifiziert werden. "Diese Typen trifft man heute wie damals in den Küchen der Welt", bestätigte Erwin Knothe, 1. Vorsitzender des Club der Köche Düsseldorf. Der Profikoch hatte den Schauspielern beim Einstudieren der wichtigsten Handgriffe und Küchenabläufe mit Rat und Tat geholfen. Jörg Lensing und Mitglieder des Ensembles haben zudem über Wochen in Großküchen gearbeitet. Die Inszenierung des Stückes und die Umsetzung auf heutige Verhältnisse in einer Küche in Westdeutschland geschah in enger Absprache mit Arnold Wesker. Bühnenbild und Kostüme wurden ein funktionales Minimum reduziert. Die Schauspieler hantieren zwar mit ausgeliehenem – Profi-Küchengerät, aber nicht mit Lebensmittel. Das fällt kaum auf.
Der Tag beginnt mit dem müden Einlauf der Akteure, es ist noch Zeit für persönliche Sticheleien und (Geplänkel zwischen den
Köchen und Kellnerinnen, die mindestens sechs Nationalitäten vertreten. Textphasen und Arbeitsgeräusche sind so aufeinander abgestimmt, daß der Zuschauer das gesprochene Wort ohne Mühe versteht. Das ist eben auch "Theater der Klänge". Bewegungen, Worte und der Küchenlärm schwellen schließlich an bis zum Orkan: Jetzt ist Mittagsservice, totale Hektik.
Der Zuschauer wird abrupt in die Pause entlassen. Fast träumerisch geht es danach weiter, wenn Köche und Kellnerinnen aus ihrer Pause nacheinander zurückkehren. Es ist sogar Zeit für ein spielerisches Gefecht mit Schöpflöffel und Schneebesen. Wenn der Restaurant-Besitzer Marango wieder beginnt, schlurfend seine Kontrollrunde zwischen Töpfen und Pfannen zu drehen, ahnt der Zuschauer: Das Tempo wird sich wieder steigern - bis zum hektischen Abendservice. Soweit kommt es nicht. Der Deutsche Peter, der auch an diesem Tag einiges ausgeteilt hat, aber auch einstecken mußte, dreht durch, als ihm die Kellnerin Monique die Freundschaft kündigt. Er zerhackt mit dem Küchenbeil die Gasleitung. Er hat damit die Menschenmaschine, in der jeder einzelne nur ein kleines Rädchen ist, zum Stillstand gebracht. Betroffenheit weicht dem Druck der Arbeitshetze.
"Sehenswert für alle Kochkollegen", urteilte Erwin Knothe nach einer Probevorstellung des Ensembles. Heinrich Wächter, Düsseldorf - Als der englische Autor Vorsitzender des Köche-Club Gelsenkirchen, will seinen Mitgliedern eine Gemeinschaftsfahrt ins Theaterhaus Düsseldorf anbieten.

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Marianne Birkner
Das Gastgewerbe
 
 
Tanzende Töpfe

Im Dezember hat das THEATER DER KLÄNGE das Theaterhaus an der Prinz-Georg-Straße für sich "gepachtet" und auf der Bühne eine Küche aufgebaut. Jeweils von Mittwoch bis Sonntag zeigt es dort seine dritte Produktion, aufwendig, wie die ersten beiden, "Die mechanische Bauhausbühne" und "Die barocke Maskenbühne" , und trotzdem ganz anders. "Die moderne Arbeitsbühne" hätte die Truppe ihre Produktion auch nennen können, aber diesmal wurde auf ein bestehendes Stück zurückgegriffen, und das heißt "Die Küche". Geschrieben hat es der englische Dramatiker Arnold Wesker Ende der fünfziger Jahre. Es war eines der Stücke, mit denen die "angry young men", wie man Wesker, Osborne und andere zornige junge Schriftsteller nannte, die Kapitalismuskritik im Theater einführten. Heute, dreißig Jahre später, entdeckt eine neue Generation dieses Stück wieder: die gar nicht so besonders zornigen jungen Männer des THEATERS DER KLÄNGE.
Kann man in einer Küche träumen? Freundschaften schließen? Liebschaften pflegen? Kriegt der Koch Peter die Kellnerin Monique endlich dazu, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, wenn ihm dazu immer nur die dreißig Sekunden zur Verfügung stehen, in denen sie auf ihr bestelltes Gericht wartet? -(Hier sind die Schollenfilets, liebst du mich noch? Ja, ja... aber schon ist sie aus der Schwingtür gerauscht.) Wieviel Lust läßt uns die Leistungsgesellschaft übrig, wieviel Menschlichkeit? Der Arbeitsplatz in der Großküche steht unter Volldampf wie kaum ein anderer, und es ist kein Zufall, daß in der Gastronomie immer händeringend Leute gesucht werden. Darum tummeln sich dort auch viele Ausländer. Großküchen sind ausgesprochen multikulturell, und alle Konflikte, ob zwischen Mann und Frau oder zwischen Gastarbeitern und Einheimischen, spielen sich hier modellhaft ab: auf engstem Raum und unter höchstem Druck, sozusagen im Dampfkochtopf. Oder, wie Wesker es nannte: Für Shakespeare war die ganze Welt Bühne, für ihn sei die ganze Welt Küche.
Nun ist aber der sozialkritische Gehalt von der "Küche" sicher nicht der einzige Grund für das THEATER DER KLÄNGE, sich dieses Stück vorzunehmen. Das Kollektiv, dessen treibende Kraft der Komponist und Regisseur Jörg Lensing ist, hat sich bei seiner Gründung vor bald vier Jahren, selbst eine Schulung verordnet, als deren dritte Phase jetzt der Umgang mit Sprache auf dem Stundenplan steht. Sich dafür ausgerechnet "Die Küche" auszusuchen, leuchtet nicht auf den ersten Blick ein, denn der Text tut sich nicht gerade als Sprach Kunstwerk hervor. Vermutlich spielen Jörg Lensings gute Kontakte mit dem Pariser "Theatre du Soleil" bei der Wahl eine Rolle, denn diese Truppe hat 1968 "Die Küche" gespielt, unter anderem vor streikenden Arbeitern, die anschließend darum gebeten haben sollen, das nächste Mal doch mit einem "richtigen" Stück zu kommen. Agitprop kann man mit dem Stück heute nicht mehr machen, aber schon das "Theatre du Soleii" wird etwas anderes an dem Text gereizt haben: Seine Vielstimmigkeit.
26 Menschen laufen in dieser Küche durcheinander, arbeiten, blödeln, streiten und flirten. Zum einen wird gearbeitet, oft sehr hektisch, zum anderen spielen sich neben dem Arbeitsprozeß Gefühlskisten ab. Das macht das Stück nicht gerade leicht zu inszenieren, und darum war es auf deutschen Bühnen auch nicht sehr oft zu sehen. Welche Kunst an Dialogregie muß dafür aufgewendet werden, um die 26, zum Teil sehr kleinen Rollen zu charakterisieren! Und gerade mit Sprechtheater hat das THEATER DER KLÄNGE kaum Erfahrung und tritt darum eine gefährliche Gratwanderung an. Aber in der Schwierigkeit des Stücks liegt auch seine Chance, nämlich die Chance zu einem Gesamtkunstwerk. Das Stimmengewirr und die Arbeitsgeräusche lassen sich rhythmisieren und komponieren, die Rennerei in der rush hour läßt sich choreographieren.
Monatelang wurde nur an den Arbeitsabläufen gearbeitet, denn all die Handlungen an Herd und Spültisch sollen detailgenau und realistisch gespielt werden, wenn auch ohne Lebensmittel, also pantomimisch. Wenn als Höhepunkt der Mittagsservice wie ein Orkan über die Küche hereinbricht, dann wird die Geräuschmusik zur Kakophonie und die Choreographie gerät in einen Geschwindigkeitsrausch. Schon bei der Vorpremiere war das ein Genuß fürs Auge, und man spürte auch mit Beklemmung, wie der Druck in diesem Hexenkessel Küche steigt. Er wird denn auch explodieren, in Person des Kochs Peter (gespielt von Jörg Balschun), dessen diffuses Unbehagen an der Maloche sich schließlich in Aggressionen entlädt.
Jörg Lensing ging vier Wochen in eine Großküche arbeiten und stellte fest, was er erwartet hatte: Die Vorgänge und Konflikte in dieser Arbeitswelt haben sich in den dreißig Jahren seit Entstehung des Stückes nicht verändert. Darum wollte er die englische Küche auch nach Westdeutschland versetzen, und erhielt von Arnold Wesker die Erlaubnis, einige Rollen so zu bearbeiten, daß sie eben auf heutige und hiesige Verhältnisse passen. Ein geglückter Kunstgriff war dabei, aus dem irischen Koch einen "Zoni" zu machen. Es brauchte ganz wenige Textänderungen, denn die Arroganz der Engländer gegenüber ihren armen Brüdern aus Irland paßt verblüffend auf das Verhältnis der West- zu den Ostdeutschen.
Arnold Wesker war angetan von den jungen Leuten, die seine "Küche" wiederentdeckt haben. Das Stück, so sagte er zu Jörg Lensing, sei heute vielleicht noch aktueller als damals. Denn gespielt wurde es in der Zeit, als die große gesellschaftskritische Bewegung einsetzte. Entstanden aber ist es in den fünfziger Jahren, die von wirtschaftlichem Aufschwung, diffusem Unbehagen und fehlenden Utopien geprägt waren. Eine Zeit, wie sie anscheinend jetzt wieder einsetzt, in der unruhige Geister wie dieser Peter noch viel öfter zum Hackmesser greifen, die Gasleitungen oder Schlimmeres kaputtmachen, weil sie für ihren Druck kein Ventil finden.

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Eva Pfister
Düsseldorfer Illustrierte
 
 
Die Küche ist kein Ort für Träume
Der Mensch arbeitet, ißt und bekommt Geld dafür. Das ist das Leben, oder nicht? Tellergeklapper, Rühren, Fleisch schneiden, Salate anrichten, Kuchen backen - in der Hektik der Großküche ist kein Platz für Träume. Wer ausbrechen will, scheitert. "Die Küche" als Modell für den zermürbenden Alltag, für's erstickende Individuum: So versteht Arnold Wesker sein gleichnamiges, dreißig Jahre altes Drama. Was man damit heute noch anfangen kann - diese Frage ließ Jörg Lensings aufwendige Inszenierung für das "Theater der Klänge" offen. Dennoch: Riesenapplaus bei der Premiere im Theaterhaus.

Es ist schon eine beachtliche Fleißarbeit die Lensing und das Ensemble leisten: Nicht weniger als 24 Akteure hantieren gleichzeitig in Mr. Marangos Restaurant. Und wenn sie in der mit riesigen Herden, Tischen und Ofen opulent ausgestatteten Großküche hacken, schneiden, braten, dann sieht ,das auch im Detail überzeugend echt aus.
Hier werden Menschen auf Funktionen zurechtgestutzt. Wenn die Kellnerinnen hereinrasen, den Köchen die Bestellungen entgegen- und diese die Bestätigung zurückrufen, ergibt sich ein Rhythmus, der die Automatik dieser Schufterei verdeutlicht.
Mag sein, daß eine so realistische Darstellung menschlicher Entfremdung vor drei Jahrzehnten das Theaterpublikum schockierte. Davon kann jetzt allerdings keine Rede mehr sein.
Die Traumvisionen und Wutausbrüche des Fischkochs Peter (vorzüglich: Jörg Balschun), der die verheiratete Kellnerin Monique liebt - das wirkt heute geradezu harmlos, ja fast banal. Obendrein wird der kritische Ansatz durch die extreme Typisierung stark verwässert. Das ist schon eine Schwäche des Stücks; Lensings Inszenierung betont sie auch noch.
In dieser multikulturellen Küche darf die dicke Berta mit dem rauhen Umgangston ebensowenig fehlen wie der ausländerfeindliche Prolet, der längst seinen Verstand versoffen hat. Von jeder Sorte einer, und hoppla, gesamtdeutsche Aktualität - einer von "drieben" muß auch mit von der Partie sein. Da können die Lacher nicht ausbleiben.
So bleibt trotz der geschlossen guten Darstellerleistung, der beeindruckenden Kleinarbeit und dem imposanten Bühnenbild ein bitterer Nachgeschmack: Diesen Aufwand hätte man besser in ein anderes Stück investiert. (Weitere Aufführungen an der Prinz Georg Straße 80 bis 30.Dezember: Mittwoch bis Samstag 20 Uhr, Sonntag 18 Uhr. Kartenbestellung: Tel 46 2746).

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Frank Preuss
Neue Rhein Zeitung
 
 
Es köchelt

Wie schwer ist eigentlich die Gattung Schauspiel? Über diese Frage grübelt man noch lange nach, wenn die Scheinwerfer über der schmuck blitzenden Küchendekoration auf der Bühne des Theaterhauses an der Prinz-Georg-Straße längst verloschen sind.
Im Theaterhaus (Prinz-Georg-Straße 80) hat das "Theater der Klänge" nun seine dritte Produktion aus der Taufe gehoben; und nach den in vieler Hinsicht betörenden musikalisch-kulinarischen Spektakeln über die "mechanische Bauhausbühne" und die "barocke Maskenbühne" ist jetzt sozialkritisches Sprechtheater angesagt.
Entschieden hat man sich für das 1957 entstandene Stück "Die Küche". In ihm schildert der britische Dramatiker Arnold Wesker den Tagesablauf in einer Großküche, wo in Gestalt von Metzgern und Köchen, Serviermädchen und Kellnern die verschiedensten Nationalitäten und Weltanschauungen aufeinander prallen. Unter seinen Kollegen ist Koch Peter hier der einzige, der sich nicht bedingungslos an die Tretmühle dieser Speisenfabrik ausliefern will. Unglücklich in eine verheiratete Kellnerin verliebt, versucht er am Ende (vergeblich) sich umzubringen. Wie gern würde man auch diesmal bloß aufzählen, was dem Regisseur Jörg U. Lensing und seinem 26köpfigen Ensemble gelungen ist; wie gern von der inszenatorischen Feinarbeit schwärmen, mit der man sämtliche Figuren sorgfältig individualisiert hat. Hier sitzt jeder einzelne der pantomimischen Arbeitsgriffe und gipfelt im elegant choreographierten Chaos des Mittags-Service, der den Teil vor der Pause beschließt. Fast ausnahmslos prächtig agieren die Darsteller: Unter ihnen Jörg Balschun als Peter, Kersten Müngersdorf als Paul, Veronika Böhle als Salatköchin und vor allem die heimliche Hauptfigur des Abends, Heiko Seidler als sächselnder "Zoni" Konrad.
Die mit zweieinhalb Stunden überlange Aufführung hinterläßt indes sehr gemischte Gefühle, Ihr Stolperstein ist das Stück selbst. Dieses nämlich hat im Verlauf von rund 30 Jahren eine Staubschicht angesetzt, die vermutlich selbst die turbulenteste Inszenierung nicht fortwirbeln könnte. Da hilft es nichts, daß Jörg Lensing den Text hier und da auf deutsche Gegenwarts-Verhältnisse umgeschrieben hat. Weskers pessimistische Moritat von Liebe, Frust und Maloche tritt immerzu auf der Stelle, köchelt meistens bloß vor sich hin.
Vor diesem Hintergrund erscheinen einzelne Unzulänglichkeiten des Abends plötzlich wie durch ein Vergrößerungsglas: Die kuriose Tatsache etwa, daß die Franzosen, Briten oder Italiener zwar mit Akzent sprechen, aber grammatisch und idiomatisch einwandfrei formulieren. Oder der bedauerliche Umstand, daß Lensing mit dem Rotstift ein bißchen zu zaghaft umging. Etliche Passagen, wie die Diskussion um die Todesstrafe, wirken in ihrer Überzeichnung vorgestrig.
Die nahe liegende Frage,warum man sich beim "Theater der Klänge" überhaupt für dieses Stück entschied, ist indes rasch beantwortet. Fest geplant war es seit langem als Endpunkt einer Trimmstrecke, auf der Lensing und' sein Team Grundsätzliches über ihre künstlerischen Möglichkeiten herauszufinden hofften. Ob das als Rechtfertigung für eine Aufführung vor zahlendem Publikum schon reicht, sei dahingestellt. Vielleicht aber hat dieses bei der Premiere entschlossen beklatschte Selbsterfahrungs-Projekt wenigstens eines deutlich gemacht: Daß nämlich auch ein gerüttelt Maß an Ehrgeiz und Professionalität aus einer spröden Vorlage keinen abendfüllenden Theaterspaß macht. (Kartenvorbestellung Ruf:46 2746)

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Otto Heuer
Rheinische Post
 
 
Küche Kellner Chefs

Das Gesamtdekor stimmt,doch die Inszenierung von Arnold Weskers "Die Küche" nicht. Sicher, das erfolgreiche Theater der Klänge unter Regie von Jörg U. Lensing versteht es, spannende, auch exellente Konzepte zu entwerfen. Doch was nützen die schönsten Ideen, wenn sie letzlich an ihrer Realisierung scheitern, wie diesmal im Theaterhaus an der Prinz-Georg-Straße (Karten unter Telefon: 4627 46), geschehen. Die Bühne von Jürgen Steger, ein einziger Augenschmaus, gibt die herrliche Atmosphäre einer Großküche mit Schwingtüren wieder: Ein weiß-grauer Irrgarten aus Herden, Tischen,Arbeitsplatten und Theke.
Der Großraum, der mehr verspricht, als passiert; füllt sich erst allmählich. Ein langsames Erwachen, das in die Hektik schneller Handgriffe und verschiedener Geräusche gipfelt. Jeder der Ankömmlinge kultiviert seinen Auftritt, eine internationale Belegschaft aus Deutschen, Franzosen, Engländern und Griechen. Es wird getanzt, geflirtet, gestritten, geschlagen oder geschwätzt: über Arbeit, Liebe, Leben und Phantasie. Allerweltsthemen ohne Mehrwert.
Durchbrochen wird der Alltagstrott, wenn Marango, der Besitzer des Restaurants, auftaucht. Der schaut, vor sich hinstänkernd, nach dem Rechten. Benno Boudgoust spielt diesen Marango im schwarzen Anzug wie eine eigenschaftslose Witzfigur. Von schauspielerischen Fähigkeiten ist da keine Spur. Die Masse der diverser Charaktere verlieren sich im Klischee und die aufkommenden Konflikte in arger Übertreibung. Nur zwei fallen aus dem Rahmen: Heiko Steidler, ein Neuer von drüben, aus Halle. Mit seinem gekonnten Akzent ist er viel leicht die Krönung, des Abends. Jedenfalls hat er die Lacher auf seiner Seite. Neben ihm kann sich nur noch Jörg Balschum behaupten. Der baut sich seinen Triumphbogen aus Eimern, Töpfen und Besenstock, ein unverbesserlicher Tagträumer mit dem mittelalterlichen Bild vom Ritter.
Leinsing setzt auf Billigeffekte, wenn er Kersten Müngersdorf mit französischem Akzent und in bester deutscher Syntax in die Arena der Betriebsamkeit schickt. Die Polyphonie aus Stimmen und Bewegungen, wie sie der Regie vorschwebte, bleibt ein Versprechen. Viel Wind um nichts.

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Heinz-Norbert Jocks
Westdeutsche Zeitung
 
 
Zusammenklang der Künste
Noch ist das Theater der Klänge in seiner Schulungsphase. Als dritte Stufe wurde soeben ein Sprechtheaterstück erarbeitet. Um es sich nicht zu leicht zu machen, wurde "Die Küche" von Arnold Wesker ausgewählt, ein Stück für 26 Darsteller, Köche und Kellnerinnen in einer Großküche. Viel Mühe wurde aufgewendet, um die Arbeitsvorgänge einzustudieren, die detailgenau, aber ohne reale Lebensmittel, quasi als Pantomime ablaufen. Denn auch die Aufführung der "Küche" will ein Gesamtkunstwerk sein, die Arbeitswelt als Höllenmaschine zeigen, in der unter hohem Druck der Mensch als Rädchen funktioniert. Höhepunkt ist der Mittagsservice, der sich in der Bewegung zu einem rasanten Ballett, in der Akustik mit Geklapper und Geschrei zu einer Kakophonie steigert. Mit der "Küche" sind die Klänge-Macher in der Gegenwart angekommen und haben wieder etwas neu erfunden: das sozialkritische Theater der sechziger Jahre, das für sie als Dreißigjährige genauso Geschichte ist wie Barock und Bauhaus. Das heißt nicht, daß die "Küche" museal aufgeführt wird. Arnold Wesker hat eine Bearbeitung von Jörg U. Lensing autorisiert, die das Stück auf heutige westdeutsche Verhältnisse überträgt. Als geglückter Kunstgriff erweist sich dabei die Verwandlung des irischen Gastarbeiters in einen ostdeutschen, es brauchte dazu - wie überhaupt zur Aktualisierung – überraschend wenig Textänderungen.

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Eva Pfister
Die deutsche Bühne
 
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