Megalopolis
 
Symphonie der Großstädte
Graue Hochhaus-Schluchten begrenzen die Bühne. Fahlblaues Licht fällt senkrecht aus Dutzenden von Scheinwerfern. Durch Lautsprecher rauscht sintflutartig der Regen. Eine verzerrte Stimme steigert die apokalyptische Atmosphäre: "An jeder Ecke sind Erzengel, sie sind Kriminelle, die Opfer suchen." Auftakt zu einer theatralischen Reise durch die Welt- Großstädte - von Tokio bis New York, von Bombay bis Sao Paulo, Avantgardistisch und konventionell zugleich brachte das "Theater der Klänge" den Metropolen-Reigen "Megalopolis" am Donnerstag auf die Juta- Bühne des FFT.
Seit dem Debüt-Stück die "Mechanische Bauhausbühne" 1987 ist technische Perfektion zum Markenzeichen des Düsseldorfer Ensembles unter der Leitung von Jörg Lensing geworden. Auch das neue Stück besticht durch detailgenaues Zusammenspiel von Choreografie (Carlos Cortizo), Lichtdesign (Christian Schroeder) und Klangteppichen mit Motorengehämmer, Elektro-Beat, sakralen Gesängen und fremdsprachigen Stimmfetzen – musikalische Entwicklung Jörg Lensing, Komposition Thomas Neuhaus.
Für das Stationen-Stück haben zehn internationale Poeten Metropolen-Texte verfasst. Das Ensemble bebildert die Prosa über das altbekannte Thema der Großstadt als untergangsgeweihtem Moloch facettenreich. So entsteht in orangem Licht eine belebte Kairoer Basar-Stimmung mit gestikulierenden Männern im Turban, flüsternden Frauen und buckligen verhüllten Bettlern. Ganz anders Los Angeles: Im hellweißen Lichtquadrat posieren die Darsteller zum Casting vor einem gelangweilten Regisseur – gespielt von Clemente Fernandez, der als Sprecher und Schauspieler durch die Städte führt. Am Schluss erscheint das hektische Tokio: Mit grauen Schilden bilden die Tänzer immer wieder Rolltreppen, Aufzüge und überfüllte U-Bahn-Waggons.
Die Darstellung bleibt jedoch insgesamt konventionell. So zeigt die Choreografie modernen Ausdruckstanz, wie ihn Pina Bausch schon vor 20 Jahren praktizierte. Die Theater-Elemente wirken allzu naturalistisch - trotzdem ein Lob an Fernandez, der gekonnt in die Rollen vom indischen Buchgelehrten bis zum Underdog aus Mexico City schlüpft.
Die Stärke des Gesamtkunstwerks liegt eindeutig in der musikalischen Neuerung des bizarren Klangteppichs, der atmosphärisch präzise das Bühnengeschehen konzertant dominiert und mit der perfekten Lichtregie harmoniert. Ergebnis: verdienter langer Applaus vom Premieren-Publikum.

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Isabelle Siemes
Neue Rhein Zeitung
 
 
Reizüberflutung in der City
Wer kennt das nicht? Man telefoniert, hört dabei sein eigenes Echo und kann dann kaum noch weiter sprechen, so verwirrend ist das. Das Ensemble vom "Theater der Klänge" hat noch weit mehr zu leisten.
Die Künstler müssen nicht nur ordentlich sprechen. Im neuen Gesamtkunstwerk "Megalopolis" — das jetzt im Jungen Theater in der Altstadt seine Uraufführung erlebte - müssen sie dabei auch tanzen, auf das zum Teil improvisierte Geschehen eingehen, singen und spielen, während der Computer ihre Stimmen und Geräusche verfremdet an den Raum wieder abgibt. Und diese wirken dann wieder auf das Tongeschehen im Raum zurück, Der Computer als Mitkomponierer, als lebendig mitgestaltetes, nicht voraussehbares Element in einer künstlerischen Mensch-Technik- Installation auf der Bühne. Eine Simulation, wie alles mit allem zusammenhängt.
Das erste Experiment von Jörg Lensing und Thomas Neuhaus – ehemalige Studienfreunde und langjährige Erforscher der Interaktionsmögichkeiten von Darstellung, Bewegung, Technik und Musik im Bühnenraum - war 1993 "Figur und Klang im Raum", ein damals kühl und technisch wirkendes Geschehen. "Megalopolis" darf man jetzt als die gereifte Fassung dieser Entwicklung sehen, eine, die nun auch die Seele trifft. Und diese Entwicklung ist noch immer nicht abgeschlossen. Lensing und Neuhaus haben sich momentan auf die durch die Akteure mögliche Steuerung der tonlichen Ebene beschränkt.
Aber das ist nur ein Aspekt dieses Stückes, und ein gar nicht offensichtlicher. Thema ist das Leben in den Großstädten dieses Erdballs, die Globalisierung, auch in der weltweiten Zusammenarbeit von Künstlern. Zehn Künstler aus zehn Megastädten haben dafür Texte geschrieben schöne, sehr unterschiedliche Texte. Neun Künstler aus acht Ländern tanzen sie. Originaltöne aus den Großstädten werden eingefangen.
Die Texte, in Originalsprache aufgenommen, interagieren mit ihrer auf er Bühne gesprochenen Übersetzung. All das wirkt zusammen. Dazu die Darsteller, die sich in die Atmosphäre der jeweiligen Stadt einfühlen, deren Menschenschlag nachempfinden und sie in vielen kleinen Alltagsszenen lebendig werden lassen. Eine Weltreise von Manila über Kairo, Los Angeles, Osaka, Sao Paolo, Bombay, Mexico City, Seoul, Tokyo bis nach New York. Das alles in zwei Stunden. Die Reizüberflutung gilt es auszuhalten. "Megalopalis", ein-Stück so quirlig, lebendig und anstrengend wie diese Städte eben sind.

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Renate Bernhard
Rheinische Post
 
 
Projektionsfläche menschlicher Träume
Die Großstadt mit ihren Wolkenkratzern,ihren Autos und ihren Menschen inspirierte das "Theater der Klänge" im FFT Juta unter dem Arbeitstitel "Megalopolis" zu einer furiosen multimedialen Reise durch die zehn größten Städte der Welt. Zehn Autoren aus Manila, Kairo, Los Angeles, Osaka, Säo Paulo, Bombay, Mexico City, Seoul, New York City und Tokyo schrieben im Auftrag des Theaters über ihre Stadt.
In Metaphern, als schnelle Assoziationsketten, in fiktiven Selbstgesprächen oder mit politischem Zeitbezug zeichnen die Texte Stadtlandschaften, die zu Seelenlandschaften werden und so die Hassliebe der Autoren zu den Mega-Citys dieser Welt offenbaren. Das Textmaterial dient den Theatermachern als Grundlage für eine Tanztheaterperformance, in der die Texte von neun Tänzern in Bewegungen umgesetzt und von einem Sprecher und einer Sängerin hörbar gemacht werden. Ihre Stimmen werden, eingebettet in charakteristische Soundscapes der jeweiligen Städte, mit Hilfe von Computern verfremdet und so zu Tonmaterial. Ein funktional einsetzbares Lichtdesign schafft unterschiedliche Räume und Stimmungen, in denen Tänzer und Sprecher agieren können. Statt eines kühl berechneten Hightech-Theaters gelingt es Jörg Lensing (musikalische Entwicklung) und Thomas Neuhaus (Komposition, Programmierung) die Großstadt als Projektionsfläche menschlicher Träume zeitgemäß als unkontrollierbare, gigantische Beziehungsgeflechte darzustellen, zwischen dessen Strängen Momentaufnahmen aus den Metropolen hervorblitzen. Oft genug verlassen sie sich nur auf die charismatische und akzentuierte natürliche Sprechstimme von Clemente Fernandez und die klare Singstimme von Birgit Wegemann, die mit den in Originalsprache gesprochenen Texten den Soundtrack und den Abgesang auf die Megacitys liefern. Sowohl in Manila, als auch in Kairo sucht man den Gott der Stadt, welcher die Menschen fasziniert und abstößt. In Seoul sucht man seine Opferstätten, in Los Angeles findet man ihn beim Film. Die Suche nach dem Gott der Stadt, welcher als Personifikation schon in dem berühmten expressionisitschen Gedicht Georg Heyms beschworen wird, zieht sich als Thema auch durch die Texte der Großstädter.

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Nina Brunster
Westdeutsche Zeitung
 
 
Zwischen Faszination und Fluch schimmern die Texte der zehn, angesehenen Autorinnen und Autoren aus den verschiedensten Ländern... Laut, hektisch, gewalttätig und eng- heissen vielleicht die gemeinsamsten Nenner - und doch gelang es den Komponisten Jörg Lensing und Thomas Neuhaus, die kulturell eigenen Prägungen herauszuarbeiten. Sie komponierten aus dem gesammelten Material ein dichtes Sound-Ambiente, in dem 1 Schauspieler und 9 Tänzer den lebensprallen Alltag in Szene setzen. Spannend! wie allein durch die Lautkulisse die Illusion vom fremdländischen Treiben gelingt. Mit viel Witz und Phantasie und minimalistischen Mitteln entstanden 10 choreografierte Abgesänge auf das Leben in der Millionenstadt. Inspirationen fand das "Theater der Klänge" in zahlreichen Bildbänden und Filmen, vor allem aber in sich selbst! Im kulturellen Erfahrungsschatz des gezielt international zusammengesetzten Ensembles.

WDR 5 Funkhaus Europa
 
 
Ob Mumbai, Los Angeles oder Kairo - ein einziger, sehr neutraler Bühnenraum reicht für das alles. So sind die 10 Bilder keine Folklore-Show globaler Urbanität, sie sind vielmehr ein sehr komplexes Hör- und Seh-Erlebnis. Getanzt, gesungen, gesprochen, rezitiert und am Mischpult dirigiert. Die Tanz-Compagnie fügt sich nicht nur in den Rhythmus, sie prägt ihn auch. Carlos Cortizo hat in seiner Choreografie fast immer den Grundgestus der Libretto-Gedichte getroffen. Das orientalisch Fließende eines wilden Marathon-Durcheinanders in Kairo. Osaka als Stadt einer melancholischen Erinnerung, wo sich Radfahrer und Fußgänger früher einmal der Zeit überließen. Das krasse Gefälle von Reich und Arm in Mumbai. Die kühl distanzierte, automatisierte Erwerbstätigkeit von Tokio. Mit hoher Sensibilität haben Komponist und Regisseur für eine gute Balance aus leibhaftiger-lebendiger Bühnen-Aktion und ihrer Durchdringung mit technisch produziertem Material gesorgt. So bleibt die Sopranistin Birgit Wegemann in ihrer souveränen Intonation und Stimmführung ebenso präsent, wie der Sprecher Clemente Fernandez. Singend, tanzend, elektronisch zaubernd, sprechend und spielend entfaltet das "Theater der Klänge" in Düsseldorf ein Weltgemälde, bedrohlich chaotisch, manchmal witzig - und findet in seiner Collage, nicht zuletzt durch die achtfache Nationalitäten-Farbigkeit seiner Ensemble-Mitglieder eine Megalopolis-Deutung.

Saarländischer Rundfunk - Blickpunkt Musik
 
 
Tokios Treppen, Mexicos Strudel
"Megalopolis", das neue Tanztheaterprojekt des "Theaters der Klänge" im JuTA, hat Großstädte zum Thema - und das Leben in ihnen. Zehn Großstädte aus der ganzen Welt waren durch Texte dort ansässiger Schriftsteller, Dichter oder Dramatiker vertreten.
Diese Texte wurden auf unterschiedliche Weise auf die Bühne gebracht: tänzerisch umgesetzt durch eine international gemischte Gruppe, rezitiert von Clemente Fernandez und Birgit Wegemann, die mal abseits standen, mal sich in die Darstellung einmischten. Dazu traten Live-Gesang sowie Rezitation der Texte in Originalsprache vom Tonband, das Ganze eingebettet in sogenannte "Soundscapes" - Klangeindrücke der Städte.
Computer mit zentraler Rolle So weit, so gut - was heißt aber diesmal "Theater der Klänge"? Im Konzept der Klangrealisatoren Thomas Neuhaus und Jörg Lensing spielt der Computer eine zentrale Rolle: Die Bewegungen der Akteure auf der Bühne werden nämlich live vom Computer in Klänge umgesetzt. Ebenso formt der Computer gesprochenen Text in Klänge um.
Der jeweilige Charakter der Stadt bestimmte den Einsatz dieser Mittel, Städte mit ruhigen Flair wechselten so mit Städten der Hektik, der Pulsation, der Gefahr. Während in Bombay trotz des regen Lebens eine durch Sitarklänge vermittelte Ruhe herrschte, erzeugten wilde Action, perkussive, aus gesprochener Sprache generierte Musik und zerrissene Textfetzen bei der Darstellung von Städten wie Los Angeles, Mexico-City oder dem brasilianischen Sao Paulo ein bedrohliches Bild vom Großstadtstrudel.
Das durch Vogelrufe beinahe meditativ wirkende Osaka fand einen Gegensatz im technisch-kalten Bild von Tokio, das zu einer nervösen Sprachklangcollage korrekt gekleidete, auf Rolltreppen auf- und abfahrende business people zeigte. Den Bruch zwischen Gegenwart und Vergangenheit, den der Koreakrieg in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul hinterlassen hat, verdeutlichte ein tänzerisches Intermezzo.
Seltsamerweise wartete man vergebens auf die Darstellung einer europäischen Stadt. Über lateinamerikanischer Vitalität - wenngleich europäisch geprägt - oder Exotik der Fernost-Metropolen hatte man anscheinend vergessen, was das zumindest geografisch naheliegende Europa an Faszinierendem zu bieten hat. Es muss ja nicht gleich Düsseldorf sein.

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Anno Schreiber
Rheinische Post
 
 
Megalopolis - nur der Versuch eines intermedialen Stückes
Megalopolis in der Neuen Aula: Ein intermediales Tanz- und Musiktheaterstück war versprochen worden. Texte von Autoren aus den zehn weltgrößten Städte wurden vom Ensemble Theater der Klänge vertanzt und gesprochen: eine leider nur eindimensionale Deutung.
Es wurde gesungen, gesprochen, die Stimmen mit Hilfe von Computern verformt. Tänzer und Schauspieler stellten das Gehörte dar, setzten es auf wortloser Ebene um. Das Düsseldorfer Ensemble "Theater der Klänge" hat sich mit diesem Thema auf ein schwieriges Terrain begeben und wurde dem selbst gestellten Anspruch nicht gerecht. Zu plakativ und dazu höchst eigenartig wurden die verschiedenen Stationen dargestellt: Ägypter wurden pauschal mit Wasserpfeifen in Verbindung gebracht, Japaner fotoerafierten ohne Unterbrechung, und alle New-Yorker sind Rapper. (So wie sich Bayern bekanntlich nur von Weißwürsten ernähren...) Diese eindimensionale und unreflektierte Darstellung sollte für ein professionelles Theater-Ensemble kein Weg sein.
Interessante Schlagworte wie intermediales Musik- und Tanztheater ließen im Vorfeld aufhorchen, machten neugierig. Doch auch hier konnte nichts wirklich Neues geboten werden. Die aufwändige computergesteuerte Textumformung ließ sich schon nach kurzer Zeit durchschauen und hatte, wie alle anderen Klänge auch, keine eigene Ebene. Beinahe alle Musiken bildeten nur eine Geräuschkulisse, die ähnlich einfallslos wie die Inszenierung selbst, die jeweilige Stadt verkörpern sollten.
Immer wieder im Vordergrund standen dabei die Texte der zehn Autoren aus aller Welt. Nie wurde dem Publikum, was am Ende nicht mehr vollzählig anwesend war, ein eigener Deutungsansatz überlassen: Alles lag glasklar auf der Hand. Insgesamt also eine eher technisch aufgeblähte Textlesung als ein aufregender Theaterabend.

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Gordon Kampe
Blickpunkt Werden
 
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