Presse
 
Na, wie isset? Ja, et muß, ne.
Lagerarbeiter Jupp, 56, arbeitslos. "Schlechte Zeiten", sagte sein Chef und gab ihm die Kündigung. Umschulung? Zu alt. In der fremden Welt des Arbeitsamtes findet er nichts, außer einen Sündenbock: "Ich binne waschechte Rheinländer, he jebore und kinne Usländer, de nur kütt, um uns de Arbit wegzunehme."
Neues Sein, neues Bewußtsein. In völliger Ignoranz seiner Gesprächspartner pflegt Jupp seinen Dialekt in jeder Situation, was außerhalb seiner Lager-Welt zu grotesken Mißverständnissen führt. Harmlose Dialoge enden im Handgemenge, weil Jupps rheinisches Gelaber in den Ohren der Ausländer sinnverkehrt ankommt.
Mit komödiantischer Leichtigkeit bringt das "Theater der Klänge" in seinem Stück "Reden ist Silber" Probleme aus der wart auf die Bühne und entdeckt als Wurzel mancher Übels die mangelnde Fähigkeit zur Kommunikation, Die von den Ensemnblemitgliedern selbstgeschriebenen Szenen spielen im Heute, sie tragen den Alltag ins Theater. So beginnt das Stück nicht auf der Bühne, sondern im Publikum. Die alte Türkin Fatma unterhält sich mit Besuchern über Wasmeiers Olympiasieg, Boris Beckers Kind und schließlich auch über ihren Sohn Raadji. Der habe es schwer in Deutschland, keine Lehre, keine Arbeit — und dann diese Ausländerfeindlichkeit. Während des Gesprächs geht sie auf die Bühne und läßt die Grenze zwischen Theater und Wirklichkeit verschwommen zurück.
Die lebensnahen Themen finden ihren Kontrast im Gesicht der acht Darsteller: Das "Theater der Klänge" spielt seine zeitgenössischen Figuren mit Hilfe von Halbmasken, die aus dem italienischen Volkstheater des 16. bis 18. Jahrhunderts (Commedia dell! Arte) abgeleitet sind. Für das Ensemble die Rückkehr zur "echt theatralischen Form", für den Zuschauer ebenso fremd wie interessant. Die starren Masken fordern die Schauspieler zu starkem körperlichen Ausdruck heraus, der sich manchmal bis zur Pantomime steigert.
In einer bunten und temporeichen Folge von 25 Szenen lassen die Autoren die 13 Charaktere ungebremst aufeinanderprallen. Da trifft Fatma im Zug die hochnäsige Kulturjournalistin Frau von Berg, findet Raadji mit einem alten Mann kein Gesprächsthema und bleibt Fabrikarbeiter Toni in seiner Stammkneipe immer wieder am untersten Gesprächsniveau hängen. "Na, wie isset! Ja, et muß, ne." Reden ist Silber.
Das Stück enttarnt Überheblichkeit, Einfalt und Intoleranz als Hürden auf dem Weg zum Dialog und zeigt das Ende aller Kommunikation im Spielsalon, den Raadji so zuckend verläßt wie die Figuren im Flipper. Ganz anders Fatma und ihre alte Nachbarin Dolores: Die beiden treffen einander nach 15 Jahren wieder und fallen sich begeistert in die Arme, Sie lassen ihre Herzen sprechen, brauchen keine Worte; Schweigen wird zu Gold. "Reden ist Silber" ist eine Komödie über unsere Zeit, entlarvend, witzig, zum Teil brillant gespielt — eine gelungene Mischung aus Theater, Tanz und Musik, beweglich hinter starren Masken.

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Erik Felske
Rheinische Post
 
 
Tückisch ist die Sprache
Schreibt man "Pilseken" mit "g"oder "k"? Wie genau definiert man die Liebe? Braucht man ein Notebook nur, wenn man in Not ist? Den Tücken der Sprache auf die Spur zu kommen, hat sich das "Theater der Klänge" mit seinem neuesten Stück vorgenommen. "Reden ist Silber, Eine Komödie über unsere Zeit", die im Theaterhaus an der Prinz-Georg-Straße Premiere hatte.
In den Masken der traditionellen italienischen "Commedia dell’Arte" will die Truppe um Regisseur Jörg Lensing das Theater wieder zum Ort des Geschichten erzählens machen. Und hat sich mit den 25 Szenen ihrer Komödie dazu ein immergrünes Thema ausgesucht: "die "sozialen und kommunikativen Probleme in Deutschland". Erzählt wird dabei die Geschichte des jungen Türken Raadji (Clemente Fernandez), der in Deutschland aufgewachsen ist, aber hier keine Arbeit bekommt. Und das Schicksal des rheinischen Lageristen Jupp (waschecht: Heiko Seidel), der mit 58 entlassen ‚wird und der Einsamkeit des Vorruhestandes nicht gewachsen ist.
So düster die Themen, so unterhaltsam die Darstellung des Hindernislaufes von Mißverständnis und Unverständnis, den Raadji und Jupp zu absolvieren haben. Denn Arbeitsloser ist nicht gleich Arbeitsloser. Kommt es doch in erster Linie darauf an, ob man Türke, Spanier, Marokkaner, Grieche oder Deutscher ist. Den einen sagt man nach, daß sie nach Ziegenmist stinken, dafür haben die anderen angeblich nur die Baumschule besucht. Beim Auf- und Abstieg auf der Karriereleiter ist auch nicht unwichtig, ob man Hochdeutsch spricht oder nur rheinisches Platt beherrscht, wo sich die "Arbeit" schnell mit dem "Orbit" verwechseln läßt, und bald das "Leck mich anne Tesch" die einzig mögliche Antwort auf alle Probleme scheint.
Sehr gut gelingt den acht Schauspielern, einige davon in Doppelrollen, die amüsant übersteigerte Darstellung der Typen in Gestik und Sprache. Besonderes Lob dabei für Maria-Jesus Lorrio als heißblütiges Spanienklischee Dolores und Jacqeline Fischer als Türkenmutter Fatma.
Zwar wird die Handlung für fast drei Stunden Spieldauer zeitweilig etwas dünn. Und manche Szenen dehnen sich allzu lang aus, ohne die Geschichten um Kommunikation und Kultur weiterzuerzählen. Doch daß dies Reden nur Silber und Schweigen Gold gewesen wäre, läßt sich nun wirklich nicht behaupten. .

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Katharina Federlin
Neue Rhein Zeitung
 
 
Gleich einem Geflecht verknüpft sich Szene um Szene zueinnander, dessen Konturen erst im Spielverlauf deutlich werden. (...) Das Stück "Reden ist Silber...", das direkt aus dem Spiel der Gruppe um das Thema Kommunikation ohne literarische Vorlage entstanden ist, bringt in der Verkehrung, in der Groteske die Verhältnisse zum tanzen, um uns diesen so wieder anzunähern. Was sie an dem Versammlungsort Theater vorführen und wozu sie anregen, ist Sensibilität für die kleinsten Bausteine sozialer Realität: die unendlichen Begegnungen und Situationen zwischen Menschen unterschiedlicher Milieus und Kulturen mit ihren vielfältigen Fahigkeiten zu Ausdruck und Kommunikation.

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Bauhaus-Zeitung
 
 
Brillantes Maskenspiel vom-Rhein
Es war eine traurige Geschichte die am Sonnabend abend bis spät in die Nacht ‚hinein auf der Bühne im Innenhof des Wolfsburger Schlosses erzählt wurde, "Das Theater der Klänge" aus Düsseldorf führte sie im Stil der Commedia dell'arte vor. Dabei ging es unter dem Titel "Reden ist Silber" nicht um eine ‚ mehr oder weniger frivole Story aus dem Rokoko, sondern um ‚höchst aktuelle Probleme.
Fast unmerklich setzt die Bühnenaktion ein. eine betagte Mutter aus der Türkei betritt das Podium und kündigt einem deutschen Rentner, der eine Vergnügungsreise an den Bosporus unternimmt, eine gar nicht lustige, Geschichte über ihren Sohn Raadji an. Am Ende schließt sich der Kreis, Mutter Fatma hat ihre Geschichte erzählt. Und die Zuschauer haben die Tragödie eines Türken erfahren, der zwischen Deutschland und seinem Heimatland nie heimisch geworden ist.
Das Düsseldorfer Ensemble hat ‚die Handlung nach der Vorlage Jörg U. Lensings, der auch Regie geführt hat, in eine Szenenfolge umgesetzt, die der Komik breiten-Raum gewährt. Charakteristische Halbmasken (wie einst bei der Commedia dell'arte), karikaturistisch hergerichtete Körper und ein bis ins kleinste Detail hinein ausgearbeitetes gestisches Repertoire bewirken zugleich eine Verfremdung und Übersteigerung der Figuren.
Über die Bühne geht, häufig im rheinischen Dialekt, eine neue Art drastischen Volkstheaters, ohne daß jedoch nach billiger Schwarz-Weiß-Manier die Handlung simplifiziert würde. Gut und böse ist hier keine Frage:.der nationalen Identität; sondern höchst individuell angelegt. Das macht die Handlung über ihre Verfremdung und Stilisierung hinaus wirklich glaubwürdig.
Das achtköpfige Ensemble, international geprägt, schlüpft wandlungsreich in 13 verschiedene Rollen. Jede wird prall mit Leben gefüllt. Das Fazit: ein außergewöhnlicher Schauspielabend bei der Internationalen Sommerbühne, durch eine nicht weniger außergewöhnliche musikalische Untermalung (angerissene Klaviersaiten, Palter und Trommelklänge) akzentuiert.
Zwei Dinge standen allerdings der wünschenswerten Wirkung entgegen: die kühle Schauerwitterung und, die Überlänge des Stückes. Da wäre etwas "weniger in der Tat mehr gewesen. Weil es sich um ein lockeres Szenenbündel handelte, wären die Düsseldorfer gut beraten gewesen, für die Wolfsburger Aufführung flexibel einige Striche anzubringen.
Immerhin,etwa die Hälfte der rund dreihundert Besucher hielt es bis eine halbe Stunde nach Mitternacht aus und feierte das Ensemble vom Rhein für sein engagiertes Spiel mit lautstarkem Applaus.

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Lie
Wolfsburger Nachrichten
 
 
Reden ist nicht immer Silber
Mit dem Wunsch, "einen einen theaterästhetischen Einsatz zu formulieren " trat 1987 das Düsseldorfer Theater Klänge" an. In der Belebung der Bauhaus-Tradition sah man neue Möglichkeiten und erzielte beachtliche Erfolge.
Das jüngste Projekt "Reden ist Silber" hat seine Müh´, dem hehren Vorsatz gerecht zu werden: Mit der selbstverfassten Szenencollage versucht sich das junge Ensemble unter der Regie Jörg Lensings an der Verbindung alter theatraler Formen mit gegenpartskritisch Impetus.
"Reden ist Silber", ein Stück über "Kommunikationslosigkeit" schwankt mühsam auf den wackligen Brettern der Commedia dell’ Arte. Das hätte seinen Reiz, wenn es denn ironisch forcierte Brüche mit dem traditionsbeladenen Maskenspiel gäbe. Am Rhein aber beläßt man es bei billigem Sozialklamauk, was zwar der altitalienischen Typenkomödie Rechnung tragen mag, darüber hinaus aber wenig bietet.
Muß noch erwähnt werden, daß der junge Türke Raadji ausgerechnet die Tochter eines arbeitslosen Ausländerfeindes liebt? Daß die türkische Mutter an abendländischer TV-Kultur krankt und der karrieregeile Yuppie seine Hände in liberaler Unschuld wäscht?
Zwischen den staubigen Idealen eines Gripstheaters und dem Charme einer Betroffenheitsoperette laviert man sich zum bitteren Ende. Der Tod eines Türken als grelle Klischeeklamotte. Das dauert lange dreieinviertel Stunden, gegen die auch der mittelmäßigste Stadttheater-Faust die Rasanz eines Daumenkinos besitzt. "Reden ist Silber", manchmal auch nur Blech.

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Lars L.von der Gönna
WAZ
 
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