Modul|a|t|o|r
Le Corbusier | Der Mensch ist das Maß aller Dinge
Der "Modulor" ist ein von Le Corbusier entwickeltes Maßwerkzeug,
das von der menschlichen Gestalt und der Mathematik ausgeht. Ein Mensch mit
erhobenem Arm liefert in den Hauptpunkten der Raumverdrängung - Fuß,
Solarplexus, Kopf, Fingerspitze des erhobenen Arms - drei Intervalle, die eine
Reihe von goldenen Schnitten ergeben, die man nach Fibonacci benennt. Die Mathematik
andererseits bietet sowohl die einfachste wie die stärkste Variationsmöglichkeit
eines Wertes: die Einheit, das Doppel, die beiden goldenen Schnitte.
Dieses Formsystem, ausgehend vom menschlichen Maß, wie schon bei Vitruvius
oder Leonardo da Vinci, sollte Formel und Generator für tänzerische
Module sein, die in Interaktion mit einem Kamertrackingsystem, sowie einem Mikrophon
und einer Kamera zu einem intermedialen Projekt über den menschlichen Körper
führt.
Frei von Textvorgaben oder einem dramatischen Stoff bot dieses "System"
eine freie Grundlage mit geräuschhaftem Klangmaterial des Körpers
(Stimme, Atmung, Bodengeräusche) ebenso zu arbeiten, wie mit Bildausschnitten
des sich live bewegenden Körpers in Form von Videosampling. So entstand
eine Folge von Einzelmodulen mit ein bis vier Tänzern und zwei Schauspielern,
die sowohl Geräusch- und Bildgeber, als auch Modulatoren ihres Materials
durch in Steuerdaten ausgewertete Bewegung sind.
Das ganze Stück ist eine umfangreiche szenische Collage welches die Theorien
von Le Corbusier hinterfragt, kommentiert, in bewegte Bilder übersetzt
konterkariert. Gleichzeitig gingen insbesondere die interaktiven, tänzerischen
Szenen erstmalig von der selbst gesetzten Grundlage aus:
Solange der Bühnenraum von keinem Menschen betreten wird, ist er tot (kein
Bild. kein Klang). Betritt ein Mensch diesen sensorisierten szenischen Raum,
entsteht durch seine Anwesenheit ein visuelles Videobühnenbild (Szenografie)
und Klang in Form von durch Bewegung steuerbarer elektronischer Musik, welche
erst durch die Geräuschverursachung des sich in der Bühne bewegenden
Menschen Klangmaterial zur flüchtigen Speicherung geliefert bekommt.
Modul|a|t|o|r hatte ein inhaltliches Thema, welches der interaktiven, intermedialen
Entwicklung einen Rahmen der Ermöglichung bot.
Gleichzeitig waren die interaktiven, intermedialen Experimente nur zu einem
geringen Grad Form bestimmend für dieses Stück. Die visuell klar gestalteten
"Möbelreigen" und insbesondere die Texte von Clemente Fernandez
reflektierten das Thema wesentlich klarer, als die interaktiv, intermediale
Reflektion.
Die gedrehten Kurzfilmsequenzen "Modul|a|t|o|r - 4 Filme" mit den
4 von Clemente Fernandez für diese Stück entwickelten Figuren trugen
dem im Anschluß an die Aufführungsserie Rechnung. Gleichzeitig bildeten
die interaktiv, intermedialen Tanzsoli den Ausgangspunkt für die folgende
weitere Entwicklung im Forschungsprojekt "PCI-Performer Computer Interaction",
welches 2005 in das Stück HOEReographien mündete.