Presse
 
Auf dem Catwalk Oskar Schlemmers
Als das Düsseldorfer Theater der Klänge vor zwei Jahren Oskar Schlemmers Triadisches Ballett auch am Rhein der Vergessenheit entrissen hatte, entfachte die ambitionierte Bühne einen Sensationserfolg. Das bedeutendste der so genannten Bauhaus-Ballette hat nach seiner Weimarer Uraufführung 1923 schließlich erst zwei Wiederbelebungsversuche in Stuttgart und Berlin erleben dürfen und das auch schon vor 50 und 40 Jahren. Jetzt setzt das Theater der Klänge der Produktion noch ein Schaumkrönchen auf, indem es das Triadische Ballett Oskar Schlemmers mit dem zeitgleich, ebenfalls für das Bauhaus kreierte Mechanische Ballett von Kurt Schmidt und Georg Teltscher kombiniert. Die skurril- grotesken Kostüme Schlemmers, quasi der Lebensnerv des Stücks, wurden für die neue Aufführungsserie nagelneu geschneidert. Und mit der teilweise eigens für diese Produktion geschaffenen Musik und der flotten Choreografie von Jacqueline Fischer wirbeln die Ballette quicklebendig und alles andere als angestaubt über die Bühne im gut, wenn auch nicht voll besetzten Düsseldorfer Capitol-Theater.
Vitalität strahlt vor allem Schlemmers Triadisches Ballett aus, bestehend aus zahlreichen Nummern unterschiedlicher Stimmungen und Szenarien, für die Schlemmer Kostüme der originellsten Machart geschaffen hat. Da werden Menschen in ihren geometrisch ausgerichteten Kleidern zu Spielfiguren, Automaten, Blumen, Tieren, außerirdischen Fantasiewesen und Leuchtkörpern in oft grellen, bisweilen clownesken Farben. Und die Choreografin unterstreicht den zirzensischen Charakter durch ihre Bewegungsstudien ebenso wie der Komponist Thomas Wansing seine für Klavier, Violoncello und Schlagzeug neu geschaffene Musik, die vom romantischen Schmachtstück über verspielte Zirkusklänge bis zu beinhartem Rock ein Kaleidoskop unterschiedlichster Klänge entfaltet, das sich der grenzenlosen Fantasie Oskar Schlemmers als durchaus würdig erweist. Einige gesungene und rezitierte Passagen lassen dabei einen Hauch von DaDa einströmen.
Nicht ganz so turbulent und unterhaltsam geht es im kürzeren Mechanischen Ballett zu, das ebenfalls durch die Kostüme Schlemmers seinen besonderen Reiz erhält. Die Kostüme bestehen aus einer komplex miteinander verbundenen Serie geometrischer, meist rechteckiger Flächen, so dass die Tänzer an kubistisch verfremdete Flickenclowns erinnern. Die Konstruktion der Kostüme erschwert freilich die Beweglichkeit der Tänzer, so dass die Bewegungen nur recht bedächtig und, titelgerecht, "mechanisch" ausgeführt werden können. Die Intention, die Bewegungsmuster im Laufe des halbstündigen Werks allmählich
aufzuweichen, gelingt so nur in begrenztem Maße.
Die Untermalung durch Klavier, Posaune und Schlagzeug mit der 1987 geschaffenen Musik von Hanno Spelsberg bedient sich modernerer Techniken als die des Triadischen Balletts. Atonales verbindet sich hier mit minimalistischen und automatenhaft starren Klängen.
Kai Bettermann, Danilo Cardoso, Jacqueline Fischer, Fatima Gomes, Phaedra Pisimisi und Laura Wissing tummelten sich tanzend und äußerst wandlungsfähig auf dem bizarren Catwalk der Schlemmerschen Kostümparade.
Begeisterter Beifall für eine Produktion der besonderen, fast außerirdisch fremd anmutenden Art.

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Pedro Obiera
O-Ton
 
 
Zur Erstaufführungsserie der "bauhaus ballete" (2017)
Eine Tänzerin sitzt in einem bonbonbunt geringelten Tellerrock aus Kunststoff auf der Bühne, das sperrige Kostüm lässt sie wie ein Kreisel aussehen. Sie schnörkelt mit barocker Eleganz die Hände, erwacht zum Leben wie einst die Spielzeuge im berühmten Ballett "Die Puppenfee" aber mit der Melancholie der Marionette, die um die Begrenztheit ihrer Existenz weiß. Das ist überhaupt das Großartige an dieser Neuinszenierung von Regisseur Jörg Lensing und Choreografin Jacqueline Fischer: sie freut sich nicht nur über den "kubistischen Scherz", wie damals die Zeitgenossen über Schlemmers verrückten Kostümtanz lästerten, sondern Lensing und sein Team erzählen mit ihren Szenen viel über die Themen die Zeit und über Oskar Schlemmer selbst. Über seine Abneigung gegen den klassischen Tanz etwa, wenn sie einer Spitzentänzerin im überdimensionierten Tutu einen ziemlich plumpen Prinzen im dickwattierten Fatsuit an die Seite stellen. Und über die Kriegstreiberei und den Militarismus der Zeit mit Figurinen, die ganz entgegen der püppihaften Niedlichkeit ihrer Kostüme, soldatisch aufmarschieren und etwa zum rockigen Cellosound à la Apocalyptica mit albernen Actionheldsprüngen männlichen Körperkult und Machismus karikieren.
Choreografin Jacqueline Fischer mixt Streetdance, Spitzen- und Standardtanz, Folklorezitate und verweist schließlich auf den zeitgenössischen Tanz, wenn am Ende mit den klassischen Bauhausfarben rot, gelb und blau der damals von vielen Wortführern beschworene "neue Mensch" geboren ist. In der Realität ist er dann in Gestalt von Hitlers zähen Windhunden brutal über die Welt gekommen.
Auf der Bühne vom Theater der Klänge setzt man auf Schlemmers Utopie, dass mit einer neuen Ästhetik auch eine geläuterte Ethik einhergehen könnte. So ist die Neuinterpretation des schrulligsten Balletts der Tanzgeschichte durch das Theater der Klänge nicht nur liebevolle Hommage, sie ist auch eine kluge, ideenreiche Auseinandersetzung mit einer Epoche der Hoffnung und des Aufbruchs, geprägt von der wissenden Melancholie der Nachgeborenen.

Nicole Strecker
Deutschlandfunk
 
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